«Nur knapp 40 Prozent der KMU verfolgen eine aktive Weiterbildungsstrategie.»

Bernhard Grämiger, der neue Direktor des SVEB, äussert sich im Interview zur Weiterbildung in KMU.


Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) spielen in der Schweizer Wirtschaft eine zentrale Rolle. Doch wie steht es mit der Weiterbildung in KMU? Der Schweizerische Verband für Weiterbildung (SVEB) hat die Rolle der Weiterbildung in KMU untersucht.

Bernhard Grämiger, der neue Direktor des SVEB, sieht bei der Weiterbildung in KMU einen Handlungsbedarf. Denn aus seiner Sicht sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Förderung der Weiterbildung – insbesondere von Geringqualifizierten – in kleinen und mittleren Unternehmen heute nicht ausreichend. Er stellt zudem fest, dass in wichtigen Fragen dazu Forschungsresultate fehlen. Im Vergleich zu den Grossunternehmen sind KMU in der Weiterbildung deutlich weniger aktiv.

Welchen Stellenwert hat die Weiterbildung in KMU in Bezug auf den gesamten Weiterbildungsmarkt?
Mehr als zwei Drittel der Weiterbildungen werden aus beruflichen Gründen besucht. Innerhalb dieses Bereichs spielen die Betriebe eine sehr wichtige Rolle. Zu einem grossen Teil finanzieren die Arbeitgeber die berufliche Weiterbildung mit. Unternehmen organisieren Weiterbildungen selbst, kaufen sie massgeschneidert ein oder schicken ihre Mitarbeiter zu Bildungsinstitutionen. Grossbetriebe sind in der Weiterbildung allerdings bedeutend aktiver als KMU. In einer Studie zur Rolle der Weiterbildung in KMU haben wir herausgefunden, dass nur knapp 40 Prozent der KMU eine aktive Weiterbildungsstrategie verfolgen. Hier besteht grosser Handlungsbedarf – vor allem in Hinsicht auf den Fachkräftemangel.

Wie gut ist die Weiterbildung in KMU erforscht und wo gibt es noch einen Forschungsbedarf?
In der Schweiz spielt die Weiterbildung als Forschungsthema leider immer noch eine marginale Rolle. Das gilt auch für das Thema Weiterbildung in KMU. Barrieren – also die Gründe, warum Betriebe Weiterbildung nicht fördern – sind ein wichtiges Thema. Ich sehe weitere dringende Themen wie z.B. das informelle Lernen am Arbeitsplatz, die Rolle der Grundkompetenzen in der betrieblichen Weiterbildung oder die Qualifizierung von Mitarbeitenden im Kontext der Digitalisierung (Industrie 4.0). Welche Rolle die betriebliche Weiterbildung im Zusammenhang mit dem Fachkräftemangel spielt, ist ebenfalls kaum erforscht.

Wie viel Gesetz und wie viel Eigenverantwortung braucht die Weiterbildung in kleinen und mittleren Betrieben?
Die Aufgabe der Gesetze ist es einerseits, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Arbeitgeber und Arbeitnehmer ihre Eigenverantwortung für die Weiterbildung optimal wahrnehmen. Das Weiterbildungsgesetz, das am 1. Januar 2017 in Kraft tritt, geht in diese Richtung. Es legt Grundsätze zur Qualität und zu den Wettbewerbsbedingungen fest. Anderseits sollten Gesetze auch Grundlagen für eine aktive staatliche Förderpolitik bilden. Diese ist dort nötig, wo die Eigenverantwortung nicht wahrgenommen wird. Handlungsbedarf besteht insbesondere in der Weiterbildung von Geringqualifizierten. Ihre Arbeitgeber unterstützen sie in der Weiterbildung zu wenig. Hier braucht es staatliche Anreize für KMU, mehr zu tun. Das Weiterbildungsgesetz geht in diesem Punkt klar zu wenig weit.

Welche Rolle spielen die Bedürfnisse kleiner und mittlerer Betriebe in der Ausbildung von Ausbildenden?
KMU stellen spezifische Ansprüche an die Weiterbildung. Sie fordern einen unmittelbaren Transfer des Gelernten in die betriebliche Praxis. Die Weiterbildung muss dazu gezielt den Kontext der Betriebe aufnehmen. So sehen sich die Ausbildenden, die in und mit KMU arbeiten, besonderen Anforderungen gegenüber. Sie sind in der Regel neben ihrer eigentlichen Aufgabe als Ausbildende auch in beratender Funktion tätig. Dem tragen die Bildungsinstitutionen in der Ausbildung der Ausbildenden Rechnung.

Mit welchen Massnahmen setzen Sie sich als neuer Direktor des SVEB für die Weiterbildung in KMU ein?
Weiterbildung in kleinen und mittleren Betrieben ist eines meiner Fokusthemen. Mit dem Projekt GO haben wir ein Modell für die betriebliche Förderung der Grundkompetenzen entwickelt, das spezifisch auf die Bedürfnisse von KMU ausgerichtet ist. Mit Branchenverbänden und Kantonen wollen wir das Modell in der Praxis implementieren. Ausserdem beleuchten wir auf unserer Website weiterbildung-in-kmu.ch die wichtigsten Fragen zum Thema. Derzeit überlegen wir, unsere Studie von 2005 zur Rolle der Weiterbildung in kleinen und mittleren Betrieben zu wiederholen, um so die Entwicklungen und Veränderungen der letzten Jahre aufzuzeigen.



Bernhard Grämiger ist Direktor des SVEB. Neben seiner Führungsfunktion im Verband setzt er sich bildungspolitisch für ein zukunftsgerichtetes Weiterbildungssystem ein. Bernhard Grämiger vertritt die Anliegen der Weiterbildung in Gremien und Netzwerken im In- und Ausland.











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